Martin Elbert
09.03.2021

Neugestaltung des Marktplatzes

Die Kurzstrecke in Bus und Bahn sind immer genau drei Haltestellen – Zeit genug, um was Kurzes zu lesen. Unser Kolumnist Martin Elbert fragt sich heute: Wer freut sich auf den neuen Marktplatz?
In diesem Punkt herrscht ein großer Konsens in der Stadt: Auf dem Marktplatz muss sich dringend etwas tun. Sehr viel sogar. Auch im aktuellen Bürgerhaushalt 2021 ist Stuttgarts „First Flecken“ zwischen Rathaus und einem Kaffeekapsel-Anbieter ein emotionales Thema.
Kein Wunder: In den meisten anderen Städten in diversen Größen ist der Marktplatz der relevante Ort für Begegnungen, Kommunikation, Stadtleben. In Stuttgart dagegen ist er – wenn nicht gerade Markttag oder Weindorf ist – oftmals nur eine schnelle Überquerung wert. Das Café Scholz, das einst diesem Ort zumindest für eine gewisse Zielgruppe etwas Flair verlieh, gibt es schon seit sechs Jahren nicht mehr.
Die guten Nachrichten, ganz offensichtlich, wenn man in den letzten Wochen am Bagger-verwüsteten Rathaus-Vorfeld vorbeikam: Es tut sich etwas. Und das schon seit Sommer 2020. Nur, das was sich da tut, klingt auf dem städtischen Onlinepapier nach gar nicht so viel: „Neben einem neuen Belag soll ein Fontänenfeld die Attraktivität des Platzes erhöhen, der Marktbrunnen saniert und auf das Platzniveau angehoben werden sowie die Ausstattung mit neuer unterirdischer Versorgungstechnik erfolgen.“
Noch mehr staunt der Laie (m/w/d), wenn er/sie/es hört, dass die Kosten 12,58 Millionen Euro betragen (Quelle Stadt Stuttgart). Okay, dafür werden noch frisch geflieste und geteerte Zuläufe in der Münz- und Marktstraße drauf gelegt. Aber was wissen wir schon, außer einem Fontänenfeld und dass das Rendering wie so oft ziemlich geschniegelt aussieht – und der zukünftige Marktplatz dabei sehr statisch wirkt. Also öffnen wir die Wunschbox und träumen vom Marktplatz von morgen.
Natürlich, obligatorisch, mindestens zwei, drei verschiedene Gastronomiebetriebe. Cafés, Restaurants, Burgerbude – Spaß! Die definitiv nicht. Nur, das allein reicht nicht. Der Marktplatz muss auch ohne kulinarischen Konsum für alle Stuttgarter:innen erlebbar werden.
Vielleicht mit einer kleinen Bühne, auf der lokale Musiker direkt losjammen können. Riesige Sonnensegel, die in den heißen Sommern Schatten spenden. Spielzone und Fitnessgeräte. Frei "verrückbare" Stühle und Tische, damit sich die Leute, wie und wo sie wollen, selbst arrangiert Platz nehmen können. Das habe ich 2019 in einem New Yorker Park gesehen. Wie einfach es sein kann, Menschen zusammenzubringen:  ein paar Stühle hinstellen!
Wenn man die Planungen für den Marktplatz anschaut, die aktuell umgesetzt werden, fragt man sich: Wird da wieder eine große Chance in und vor allem FÜR Stuttgart verpasst? Oder werden die Bürger:innen später diesen neuen Ort für ihre Bedürfnisse entdecken und nutzen? So ist es zum Beispiel auf dem Marienplatz passiert, der nach der Sanierung Ende der Nullerjahre zunächst als kahle Betonplatte ziemlich verlassen da stand, bis die ersten Leute zaghaft ihre die Decken ausbreiteten. Irre! Aber es hat funktioniert.
Immerhin: Stuttgart Tourismus will mit einer riesigen Schnittstelle aus neuer Touristikzentrum und gastronomischen Konzept in den ehemaligen Breitling einziehen. Der neue Ratskeller wird irgendwann eröffnen. Und der Marktplatz? Soll bis zum Weihnachtsmarkt 2021 fertig sein. Bedeutet, bis zum ersten Sommer auf der neuen Innercity Area dauert es noch weit über ein Jahr. Und bis dahin können wir weiter träumen und die Frage erörtern: Wann traut sich Stuttgart mal etwas?

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