4 Minuten mit Axel Preuß

18. Mai 2022

In vier Minuten in die Waldidylle: Die Fahrt mit der Standseilbahn ist immer ein Erlebnis. Wir nutzen die Zeit, um Stuttgarter Persönlichkeiten in einem „schrägen“ Interview kennenzulernen.

Dramaturg, Chefdramaturg, Festivalleiter, Schauspieldirektor – Axel Preuß ist hinter dem Vorhang zuhause. Der gebürtige Hamburger hat Philosophie, Neue Deutsche Literatur und Kunstgeschichte studiert und bereits als Student bei freien Ensembles Theaterluft geschnuppert. Seitdem hat Axel Preuß die Welt der Bühne nicht mehr verlassen – als Chefdramaturg, Schauspieldirektor und stellvertretender Intendant war er in Rostock, Tübingen, Heidelberg, Braunschweig und Karlsruhe engagiert. Seit der Spielzeit 2018/19 ist er als Intendant der Schauspielbühnen in Stuttgart beschäftigt. In vier Minuten erzählt er uns von der Gleichstellung in der Theaterbranche, von der Zusammenarbeit von Theater und Politik und er verrät, warum es ihn regelmäßig zurück in den Norden zieht.

Herr Preuß, wie oft schreiben die Leute Ihren Nachnamen falsch?

Wer mich kennt, weiß, dass ich mit ß geschrieben werde. Sie fragen vermutlich, weil meine E-Mail-Adresse „Preusz“ lautet. Die digitale Kommunikation kennt leider das schöne alte ß nicht mehr.

Wenn es einen typischen Arbeitstag bei Ihnen gibt: Wie sieht der aus?
Der Arbeitstag beginnt zumeist um 8 Uhr morgens und endet abends mit den Vorstellungen gegen 22 Uhr. Theater besteht zur Hälfte aus Kunst, zur anderen Hälfte aus deren Organisation. Darum gibt’s neben der künstlerischen Arbeit auch viele Sitzungen und seit dem Ausbruch der Coronapandemie auch permanentes Krisenmanagement.

Philosophie und Humor: Verträgt sich das?
Ja, unbedingt. Wer sich der Erkenntnis von Mensch und Welt widmet, braucht Nerven und Humor. Am besten beides. Lachen ist eine philosophische Kerndisziplin.

Und wie steht’s mit Theater und Politik?
Politik gestaltet, Theater spiegelt und hinterfragt unsere Lebenswelt. In der konkreten Zusammenarbeit erlebe ich die kommunale Kulturpolitik als sehr engagiert. Das gilt auch für die Landesebene.

Wie sehr vermissen Sie Braunschweig?
Stuttgart ist seit vier Jahren meine Stadt. Das Leben und die Arbeit hier machen mir große Freude. Und meine Braunschweiger Freunde besuchen mich hier. Besser geht’s nicht!

Was hat Karlsruhe, das Stuttgart nicht bieten kann?
Stuttgart hat alles, was ein kulturbegeisterter Mensch zum Leben braucht. Hier gibt’s einfach alles auf hohem Niveau: gutes Essen, Theater, Konzerte, Oper und Akademien. Eine Karlsruher Besonderheit ist das „ZKM – Zentrum für Kunst und Medien“.

Ihre Gedanken, wenn Sie an den Hamburger Fischmarkt in Stuttgart denken?
Als gebürtiger Hamburger freue ich mich, dass es zwischen Stuttgart und der Hansestadt eine innige Verbindung gibt. Das stelle ich auch immer wieder fest, wenn wir unseren Familienurlaub am Nordseestrand verbringen: im August sind um uns herum alle aus dem Ländle.

Labskaus oder Maultaschen?
Maultaschen, am liebsten in der Brühe.

 

Wann sind Sie mit Ihrer Arbeit zufrieden?
Wenn unser Publikum mit uns zufrieden ist. Nichts ist schöner als ein volles Theater und glückliche Zuschauer.

Wie sorgt man für Gleichstellung zwischen Männern und Frauen in der Theaterbranche?
Die Abteilungen werden zu gleichen Teilen von Frauen und Männern geleitet. Zudem achten wir auf gleiche Bezahlung. Auch interessant: In unseren Theatern arbeiteten zuletzt mehr Frauen als Männer.

Hand aufs Herz: Würden Sie selbst gerne auf der Bühne stehen?
Das überlasse ich lieber den Profis! Wir achten bei den Besetzungen der Stücke sehr darauf, dass wir erstklassige Schauspielerinnen und Schauspieler engagieren. Das ist auch unserem Publikum sehr wichtig.

Was muss Theater heute leisten?
Theater muss die Menschen erreichen! Es muss Qualität haben, einen Anspruch vertreten und zugleich unterhalten. Als Zuschauer wollen wir berührt und entführt, verstanden und hinterfragt werden. Wir wollen lachen, weinen und nachdenken können über Fragen, die mit uns und unserer Welt zu tun haben. Darum ist gutes Theater wie ein steter Dialog zwischen dem Ensemble auf der Bühne den Menschen im Zuschauerraum. Alle zusammen machen an einem Abend eine gemeinsame Erfahrung, die sie teilen und genießen können.

Wenn Sie in einer Stadt Ihrer Wahl als Intendant arbeiten dürften: Welche wäre das?
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich meinen Vertrag als Intendant des Alten Schauspielhaus und der Komödie im Marquardt bis 2029 verlängert. Darüber bin ich sehr glücklich. Denn die „Schauspielbühnen in Stuttgart“ sind in Deutschland etwas Besonderes, weil sie zwei Bühnen mit einem jeweils eigenen Profil unter einem Dach verbinden.

Fotografien von Matthias Straub